Während Keynesianer um Paul Krugman und Peter Bofinger unablässig höhere Staatsausgaben zur Förderung der Wirtschaft fordern, ohne mit den Wimpern zu zucken, haben sich Scot Paltrow und seine Reporterkollegen bei Reuters die Mühe gemacht, wenigstens einen der größten und intransparentesten Haushaltsposten der Welt auszuleuchten: den amerikanischen Verteidigungshaushalt. Dass bei einer Größenordnung von 565,8 Milliarden Dollar (im Jahr 2012) schon mal ein paar Dollar in einem schwarzen Loch verschwinden können, überrascht nicht wirklich. Dass aber die Militärbürokratie keine Ahnung hat, wo ein großer Teil der Ausgaben landet, schockiert selbst Skeptiker, die ohnehin schon keine hohe Meinung von staatlicher Verwaltung haben.
Das amerikanische Verteidigungsministerium ist die einzige amerikanische Behörde, die ein Gesetz aus dem Jahr 1996 missachtet, das eine jährliche Prüfung aller Ausgaben verlangt. Kein Wunder: es ist nicht einmal bekannt, wie viele unterschiedliche Buchhaltungssysteme im Einsatz sind. Die Schätzungen reichen von 2.200 bis 5.000, deren Unterhalt 17 Milliarden Dollar kostet – oder vielleicht auch mehr oder weniger, genau weiß es niemand. Versuche, moderne Systeme zu installieren, kosteten mehrere Milliarden und schlugen fehl. Seit Inkrafttreten des Gesetzes, das die Bilanzierung aller Ausgaben verlangt, sind 8,5 Billionen Dollar (das sind 8.500 Milliarden Dollar) ungeprüft ausgegeben worden.
Um die Zahlen trotzdem halbwegs gesetzeskonform aussehen zu lassen, werden von der Buchhaltung „Einträge ohne Grundlage“ vorgenommen, durch die dann die tatsächlichen Ausgaben den budgetierten angeglichen werden. Die Ausgaben summieren sich im System zum budgetierten Betrag – es gibt keine weiteren Fragen. Das Absurde daran: die Regierung verschärfte schon vor zehn Jahren nach den Skandalen bei Enron und Worldcom die Bilanzierungsregeln für Privatunternehmen. Wirtschaftsprüfer nehmen, mit Blick auf diese scharfen Regeln, den Verbleib von Bleistiften und anderen alltäglichen Bürobedarfs ins Auge. Doch wenn es um eine staatliche Behörde geht, kommt es auf ein paar hundert Milliarden mehr oder weniger offenbar nicht an.
Beispielsweise ist das Pentagon nicht in der Lage, ein Inventar der vorhandenen Waffen, Munition und anderen Materials zu unterhalten. Deshalb wird immer wieder bereits Vorhandenes neu bestellt,
während gleichzeitig schon längst abgelaufene oder obsolete Ausrüstung weiter gelagert wird. Verträge über 500 Milliarden Dollar an Nachbestellungen warten auf Auswertung durch Prüfer. Wie viel davon bereits gezahlt wurde, ist nicht bekannt. Ab und zu geht Material einfach verloren: die Armee weiß nicht, wo sie Material im Wert von 5,8 Milliarden Dollar lagert, das zwischen Reserveeinheiten und der regulären Armee hin- und hergeschoben wurde. Selbst bei Gehalts- und Pensionszahlungen kommt es immer wieder zu schweren Fehlern. Selbst ein General wurde bei der Gehaltsabrechnung schon versehentlich für gefallen erklärt.
Das Ergebnis dieser laschen Kontrolle sind Betrug und Unterschlagung. Die bleiben meistens unentdeckt. Einige wenige kommen ans Licht, doch nur, wenn die Aufmerksamkeit der Behörden durch Denunzianten oder zivile Streitigkeiten geweckt wird.
Der amerikanische Verteidigungshaushalt ist schon angesichts seiner Größe ein Ausnahmefall. Doch beim grundlegenden Problem der Ineffizienz staatlicher Bürokratie unterscheidet er sich nicht vom Rest der Welt. Die Hoffnung, mehr Staatsausgaben könnten eine positive Wirkung auf die Wirtschaft haben, kann man getrost abschreiben.