Das „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ ist ein Zusammenschluss von Aktivisten, unter anderem MISEOR und Tax Justice Network, die wie alle Aktivisten immer und überall ihr Lieblingsthema bestätigt zu sehen glauben. Die jetzt vorgelegte „Studie“ Schattenfinanzzentrum Deutschland – Deutschlands Rolle bei globaler Geldwäsche, Kapitalflucht und Steuervermeidung reiht sich in eine lange ähnlicher Veröffentlichungen ein, die krampfhaft versuchen, die Welt auf ein angebliches Problem mit Steuergerechtigkeit zu reduzieren. Parallel zur Studie wurde ein Schattenfinanzindex veröffentlicht, eine Rangliste der „schädlichsten“ Schattenfinanzzentren der Welt. Deutschland landet auf Platz 8.Erst letztes Jahr machte die Organisation mit einer anderen „Studie“ von sich reden. Das Tax Justice Network untersuchte Daten von Sparkonten und kam zu dem Schluss, es müsse Tausende bisher unbekannter Milliardäre auf der Welt geben. Und nicht nur das: die Vermögen dieser Milliardäre bestünden nicht etwa aus Firmenbeteiligungen, wie es normalerweise bei großen Vermögen der Fall ist. Sondern vielmehr bestünden diese Vermögen aus Guthaben auf Bankkonten in Steueroasen. Es ist kaum plausibel, dass all diese angeblichen Milliardäre nur darauf warten, dass ihre Milliarden von Inflation aufgezehrt werden. Noch weniger plausibel ist, dass sie über keinen kompetenten Anlageberater verfügen, der ihr Vermögen vernünftig investiert und nicht auf einem Bankkonto versauern lässt.
Auch in diesem Jahr versucht das Netzwerk wieder, mit einer aufgeblasenen Studie wieder von sich reden zu machen. Diesmal eben mit einer Rangliste der schlimmsten Steueroasen. Die Methodik der Studie ist auch diesmal wieder so ausgelegt, dass die Ergebnisse schlagzeilenträchtig sind und ein höchstmögliches Presseecho garantiert ist.
Wo läge schon der Nachrichtenwert, wenn die Bahamas oder Monaco die Rangliste anführen würden? Besser also, große Volkswirtschaften wie die U.S.A. (Platz 6), Deutschland (Platz 8) und Japan (Platz 10), die naturgemäß viel Kapitalverkehr mit dem Ausland haben, auf der Liste weit vorne aufzustellen. Ganz vorne landen kleinere Staaten, die einen besonders aktiven Außenhandel betreiben: Schweiz (Nummer 1), Hong Kong (Nummer 3) oder Singapur (Nummer 3). Auf den hinteren der 82 Plätze rangieren genau jene Kleinstaaten, die normalerweise als Steueroasen gelten: Andorra (74), Monaco (75), St. Kitts und Nevis (80) sowie Nauru (81). Ein Computerfehler? Vielleicht hat man ja nur versehentlich in Excel falsch sortiert?
Mit tatsächlicher Geheimhaltung von Bankdaten hat all das wenig zu tun. Wer würde nach den CD-Käufen durch die Steuerbehörden noch versuchen, Schwarzgeld in der Schweiz zu verstecken? Die Eidgenossen mögen den 1. Platz bei den Theoretikern der Netzwerks belegen, bei real existierenden Steuerhinterziehern aber vermutlich nicht mehr. Und ob Deutschland mit einer funktionierenden Justiz und einer 25 prozentigen Quellensteuer (plus Solidaritätszuschlag) die erste Wahl zur Geldwäsche oder zum Verstecken von Vermögen ist, kann auch bezweifelt werden.
Es wäre nicht weiter schlimm, wenn ein solches Netzwerk sein Unwesen nur im Internet zwischen Esoterikern und anderen Gutmenschen treiben würde. Bedenklich ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung des deutschsprachigen Berichts mitten in den Koalitionsverhandlungen zur Regierungsbildung, nachdem die SPD mit dem Schlagwort Steuergerechtigkeit Wahlkampf gemacht hat. Denn weit mehr als eine politische Broschüre ist diese Studie nicht. In der 44-seitigen Fleißarbeit werden brav die verschiedenen Steuerarten und relevanten Gesetze aufgezählt. Und gelegentlich müssen die Autoren Markus Henn, Sarah Mewes, und Markus Meinzer dann doch zugeben, dass sie nicht viel ernsthafte Indizien für ein echtes Problem mit dem Steuergeheimnis in Deutschland haben.
Wie genau deutsche Banken Steuerflüchtlingen zur Seite stehen, lässt sich schwer nachvollziehen.
Mangels weit verbreiteter Probleme müssen dann eben Einzelfälle als Beispiele dienen, nämlich die wohlbekannten Skandale um Gustl Mollath und die Umsatzsteuerbetrügereien von Mitarbeitern der Deutschen Bank. Ob die Erwähnung Mollaths Namens eine Verlegenheitslösung ist oder ein Augenzwinkern in Richtung Verschwörungstheoretiker ist unklar.
Dass Devisenreserven der libyschen Zentralbank in Deutschland investiert waren hat nicht viel zu bedeuten und ist gerade kein Zeichen für Geldwäsche – wenn Geld gewaschen wurde dauert es erfahrungsgemäß Jahre, bis sich die Spur zurückverfolgen lässt. Die Guthaben waren ohne wenn und aber Libyen zuzuordnen und eben nicht geklaut oder gewaschen. Devisenreserven werden per Definition nun einmal im Ausland investiert, sonst sind es keine Devisenreserven. Revolution hin oder her, dieses Beispiel ist genau ein Gegenbeispiel und beweist nur, dass die Autoren das Thema möglichst publikumswirksam aufpolieren müssen, indem Sie Zusammenhänge andeuten, die eindeutig nicht bestehen.
Auch die Zahl von 99.000 Steuerberatern in Deutschland soll als ein Indiz für Steueroasenstatus herhalten. Auf die Idee, dass deren große Zahl etwas mit der Komplexität des wahrscheinlich kompliziertesten Steuerrecht der Welt zu tun haben könnte, kommen die Autoren nicht. Ja, Deutschland hat ein kompliziertes Steuerrecht. Während die amerikanischen Steuergesetze heute rund 74.000 Seiten füllen und als kaum noch praktikabel gelten, hat man in Deutschland schon mehr als 100.000 Verordnungen (mit je mehr als einer Seite) und fügt fleißig neue hinzu. Wer Steuern sparen will, braucht nichts zu verstecken. In den Verordnungen gibt es ausreichend Ausnahmeregelungen. Man muss nur lang genug suchen.
Eine glaubwürdige Studie sieht andern aus. Wer sich mit Finanzen auskennt und regelmäßig Zeitung liest kann auf diese Lektüre getrost verzichten.
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