Arbeitszeit gilt in der derzeitigen Debatte um Mindestlohn als die einzig richtige Messlatte für Einkommen. Arbeitsleistung kann nach zwei Kriterien entlohnt werden: nach Zeit oder Stückleistung. Keines der beiden ist besser oder schlechter als das andere. Bezahlung nach Zeit hat den wohlbekannten Nachteil, dass Arbeitnehmer trotz unterschiedlicher Leistung bei gleicher Arbeitszeit gleich viel verdienen. Lohn nach Stückleistung hat den Nachteil, dass zeitaufwendige Qualität nicht immer akkurat in der Bezahlung reflektiert wird. Beispielsweise hat man bei der Lektüre der Wirtschaftspresse den Eindruck, dass Redaktionen ihre freien Mitarbeiter nicht für gute Recherche bezahlen, sondern nur pro abgeliefertem Artikel. Doch das ist ein anderes Thema.
Wird Arbeitszeit nun per Gesetz zum Maßstab für Entlohnung, setzt sich schnell das Paradox staatlicher Preisfestlegung durch. Wird erst einmal ein Preis festgesetzt, wie der Preis für Arbeitszeit, werden sofort weitere staatlich verordnete Festpreise nötig. Dieses Problem ist auch den Protagonisten des Mindestlohns klar. So fordert die Gewerkschaft veri.di bereits Mindestpreisverzeichnisse, was nichts Anderes ist, als ein staatlich fixierter Zeitrahmen, in dem eine Leistung erbracht werden muss. Dieses Phänomen ist aus der Kriegswirtschaft bekannt: wird ein Preis per Gesetz dekretiert, müssen bald auch andere Preise vom Staat verordnet werden, und schon ist man in einer Planwirtschaft. Kommen solche Verzeichnisse erst einmal, werden Selbständige gegenüber ihren Kunden gute Argumente finden müssen, wenn sie mehr als das staatlich festgesetzte Minimum in Rechnung stellen, tatsächlicher Arbeitsaufwand hin oder her.
Am oberen Ende der Einkommensskala wird Arbeitszeit schon länger als Referenz gegen angeblich exzessive Managergehälter angebracht, wie kürzlich bei der in der Schweiz gescheiterte Initiative. Auch hier soll Zeit und nicht Leistung der einzig richtige Maßstab sein. Aufsichtsräte haben inzwischen komplizierte Systeme entwickelt, nach denen Managerleistung bewertet und bezahlt wird. Nicht nur Aktienkurse zählen heutzutage, wie Polemiker bei diesem Thema gerne karikieren; Sicherheit und Gesundheit der Angestellten, langfristige strategische Ausrichtung oder Margen fließen heutzutage in diese Berechnungen ein. Weshalb hier gerade Zeit die bessere relevante Größe sein soll, ist nicht klar.
Eine der absurdesten Pointen schlugen Fokussierung auf Arbeitszeit während des Bundestagswahlkampfs. Ausgerechnet Peer Steinbrück war das Opfer, als seine Entlohnung für Vorträge von Kritikern mit der dafür relativ kurzen Arbeitszeit bemessen wurde. Bei seinen Buchhonoraren in Höhe von 2 Millionen Euro machte sich niemand die Mühe, seine Arbeitszeit als Autor nachzurechnen: bedenkt man, dass er seine Bücher als Nebenbeschäftigung zu seinem Politikerberuf schreibt, kommt man schnell auf einen Stundenlohn, der es mit jedem Manager aufnehmen kann. Sollte er Unterm Stich in mit einem Tempo von 2,5 Seiten pro Stunde verfasst haben, dann entspricht sein Stundenlohn einer jährlichen Managervergütung von weit mehr als 25 Millionen Euro.
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